Vom Kind zum Manne (1.Korinther 3,1)

Christen, welchen der Zustand der Gemeinde Gottes (nicht der organisierten Kirche) eine Herzens-angelegenheit ist, leiden unter den sich oft widersprechenden Wortauslegungen. Meist resultieren daraus auch die Spaltungen. Aber sind Spaltungen nicht, bis zu einem gewissen Grad, eine ganz normale Auswirkung eines Entwicklungszustandes? Paulus schreibt in 1.Kor 11, 18:

"...höre ich, es seien Spaltungen unter euch und zum Teil glaube ich es. Denn es müssen Spaltungen unter euch sein, auf daß die so rechtschaffen sind, offenbar unter euch werden."

Demnach wird unsere Einstellung den Parteiungen gegenüber von unserer geistigen Reise geprägt! Trotzdem wollen wir aber das Ziel nie aus dem Auge verlieren:

"bis daß wir alle hinankommen zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohnes Gottes und ein vollkommener Mann werden" (Eph 4, 13).

Um diese Thematik geht es auch in der nachstehenden Wortbetrachtung.

 

Zunächst will ich noch einmal auf die heutige Tageslosung zurückkommen. Sie wurde mir heute morgen schon zu einer Predigt. Sie steht in Sprüche 21 Vers 2 und lautet: "Einen jeglichen dünkt sein Weg recht, aber der Herr wägt die Herzen." Wie treffend beschreibt doch Gottes Wort in diesem Vers die Situation im Volke Gottes. Wenn dieser Zustand damals schon, beim Volke Israel, der Vorherrschende war, dann müssen wir leider feststellen, daß sich das menschliche Herz in den letzten 3000 Jahren kaum verändert hat. Vor zwei Wochen hatte ich Gelegenheit, einige Gespräche mit Brüdern aus einem anderen christlichen Lager zu führen. Dabei wurde recht schnell jedem klar: Ein jeder denkt seine Erkenntnis wäre die richtige. Wie schnell wird doch in einer zunächst so brüderlichen Gemeinschaft die Harmonie gestört, wenn einer von der allgemein gültigen Linie abweicht. In eure Gemeinschaft komme ich nun schon über 30 Jahre. Eure Ansichten kenne ich und weiß genau, was ich bei euch sagen darf, um eure Zustimmung zu erlangen. Soll ich nun predigen, nach dem euch die Ohren jucken? Das wollt ihr nicht, und das will auch ich nicht. Deshalb versuchen wir auch immer die brüderliche Liebe über die Erkenntnis zu stellen und sind deshalb auch heute noch beieinander. Noch ein anderes kleines Erlebnis, das in diese Einleitung paßt. Im Schwarzwald kam ich kürzlich mit dem Gemeindeleiter der Liebenzeller Richtung zusammen. Keiner hatte von dem anderen vorher je etwas gehört. Wir wollten aber in einer kommenden Bibelfreizeit zusammenarbeiten und so war es schon angebracht, daß wir uns kennenlernen wollten. Wie habe ich mich gefreut, als mein Gegenüber unsere kurze Unterhaltung mit der Bemerkung abschloß: "Ich glaube annehmen zu können, daß Sie und Ihr Kreis unseren Heiland lieb haben und ihm von ganzem Herzen nachfolgen wollt. Das will ich auch und damit meine ich, ist die Voraussetzung gegeben, daß wir uns gut ergänzen können."

Gott sieht das Herz an. An der Frucht soll man ja den Stand eines Gotteskindes erkennen. Eine seltene, aber um so köstlichere Frucht scheint mir zu sein, wenn ein Bruder die Erkenntnis des anderen ohne Vorbehalte anhören und prüfen kann. Mit solcher Frucht kann man vor den Menschen nicht glänzen. Sie scheint mir aber eine Voraussetzung zu sein, um auf dem Wege zur Einheit der Gemeinde voranzukommen. Ich bin der Meinung, daß diese Frucht ansatzmäßig bei jedem in das neue Leben gezeugten Kinde Gottes vorhanden ist. Heißt es doch in 2.Kor 5, 17 in Bezug auf solch eine neue Geburt, daß etwas Neues in uns geworden ist. Dieses Neue ist ein Wunder vor unseren Augen und tat Gott. Nun geht es darum, daß dieser Ansatz in uns wächst zur Fülle der Frucht. Wie dieser Wachstums- oder Entwicklungsprozeß ausschaut, das will ich versuchen, euch in dieser Bibelstunde zu zeigen. Dazu lesen wir als erstes eine Stelle aus 1.Kor 3 Vers 1:

"Und ich, liebe Brüder, konnte nicht mit euch reden als mit Geistlichen, sondern als mit Fleischlichen, wie mit jungen Kindern in Christo. Milch habe ich euch zu trinken gegeben und nicht Speise, denn ihr konntet noch nicht. Auch könnt ihr jetzt noch nicht."

Paulus spricht hier nicht zu seinen Brüdern nach dem Fleisch bzw. zu seinen Volksgenossen sondern wie wir hörten, zu jungen Kindern in Christo, also zu Menschen die sich in einem neuen Bundesverhältnis zu Gott wußten. Auf Grund welcher sichtbaren Früchte und Tatsachen konnte Paulus dieses Urteil fällen? Wir lesen in Vers 3 die Antwort:

"Weil Eifer, Zank und Zwietracht, also Spaltungen unter ihnen waren, deshalb sind sie noch Kinder."

Weshalb sind denn diese Spaltungen damals entstanden? Nun, die Ursache war die gleiche, damals wie heute. "Einen jeglichen dünkt seine Erkenntnis die allein richtige." Apollos konnte seine Meinung wortgewaltig vertreten. Die heutigen Apollose sind meist auch begabte Redner und diese finden dann bald ein paar Anhänger; und schon ist wieder ein neuer Kreis entstanden. Das ist eigentlich eine ganz normale Erscheinung und dient mit zur Ausbreitung des Evangeliums. Nur sollte dann nicht fanatisch auf dem "Nur wir haben das Richtige" bestanden werden! Ist dies aber der Fall, dann darf uns das schon vorsichtig machen und auch unsere Beurteilung herausfordern. Fällt diese dann so wie hier bei Paulus aus, dann wollen wir bedenken, daß ein Kind wohl besonderer Ermahnung bedarf, aber von einem reiferen Gotteskind auch eine von Geduld und Liebe geprägte Nachsicht erwarten darf.

Wir lesen ein weiteres Wort aus 1.Kor 13. Hier finden wir auch den von Bruder Ewald vor dem Gebet gelesenen Vers: "Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser Weissagen ist Stückwerk."

Weiter von Vers 11 ab:

"Da ich ein Kind ward ,da redete ich wie ein Kind und war klug wie ein Kind und hatte kindische Anschläge. Da ich aber ein Mann war, da tat ich ab was kindisch war."

Auf dieses Wort will ich heute mittag den Schwerpunkt legen. Ich wiederhole: Da ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind und hatte Gedanken und Wünsche wie ein Kind. Geschwister, wir hören dieses Wort heute nicht zum ersten Mal; und ich bin überzeugt, daß ihr es, oberflächlich betrachtet, auch alle bislang verstanden habt.

Weil wir aber auch wissen, daß das Wort der Wahrheit Unausschöpflich ist an Weisheit und Erkenntnis Gottes, deshalb wollen wir etwas tiefer schürfen. Was wollte Paulus der Gemeinde in Korinth und was will dieses Wort uns heute sagen. Wie schon erwähnt, haben wir im Blick auf die irdische Bedeutung keine Probleme. Ein fünfjähriger Junge hat andere Wünsche als ein fünfzehnjähriger. Ein dreijähriges Kind kann sich normalerweise den Eltern noch unterordnen. Einem achtjährigen fällt es schon schwerer. Und wie ist es bei einem Achtzehnjährigen? Wenn ein Säugling Hunger hat, dann schreit er ohne Rücksicht auf irgend Jemand so lange, bis er Nahrung bekommt. Und das finden wir ganz in Ordnung. Wenn aber ein zehnjähriges Kind sich ebenso verhält, dann liebe Geschwister, ist das halt gar nicht in Ordnung.

Wenn ein Kleinkind, Mittelpunkt der Familie, einen Wunsch äußert, ja da springt alles.

So ist es zur Zeit bei meinem jüngsten Enkel. Wie sagt doch Jesus "Freude wird sein in den Himmeln über einen Sünder, der Buße tut". Ich kann mir gut vorstellen, wie die Engel springen, wenn der Neugeborene im Geist auf der Erde einen Wunsch äußert. Wir haben es doch alle mehr oder weniger selbst erlebt. In den ersten Gnadentagen wird man von dem Herrn getragen. So, wie die Eltern ihr Kind lieben und wollen, daß es ihm gut geht. Viel mehr noch liebt Unser Vater im Himmel seine Kinder und will, daß es ihnen gut geht, daß sie zufrieden und glücklich sind. Als ich vor über 30 Jahren zu euch kam, habe ich euch diese Botschaft gebracht. Erinnert ihr euch noch an die Parole: "Alle Tage Sonnenschein!" Ja ich finde es auch heute noch ganz normal, daß Kinder in einem guten Elternhaus eine schöne, sorglose Kindheit erleben dürfen. Ich bin meinem himmlischen Vater sehr dankbar, daß er mir eine so schöne geistige Kindheit geschenkt hat. Nun eine Frage: Was für eine geistige Kindheit hat Paulus erlebt? War er überhaupt geistigerweise einmal Kind? Für manchen Paulus-Verehrer dürfte schon der Gedanke an diese Möglichkeit unangenehm sein. Darüber zu streiten, ist müßig denn Paulus selbst hat in unserem Textwort diese Frage eindeutig beantwortet. Auch er, das auserwählte Werkzeug, der hervorragende geistige Lehrer, hat als Kind begonnen und hatte Gedanken und Wünsche wie ein Kind. "Als ich ein Kind war", sagt er ja!

Wie mächtig hat sich in diesem Anfangsstadium seiner Entwicklung als Apostel Jesu Christi dieser sein Messias doch durch Zeichen und Wunder geoffenbart! In Apg 13 lesen wir, wie er den Zauberer Kraft des heiligen Geistes mit Blindheit schlug. Lest einmal die weiteren Kapitel 17-19 der Apostelgeschichte! In ihnen wird uns die geistige Kindheit des Apostels beschrieben. Der Vers in Kp 19, 10 faßt diese Zeit treffend zusammen.

Ich will ihn lesen:

"Und das geschah zwei Jahre lang, also daß alle, die in Asien wohnten, das Wort des Herrn Jesu hörten, beide, Juden und Griechen. Und Gott wirkte nicht geringe Taten durch die Hände des Paulus, also, daß sie auch von seiner Haut die Schweißtüchlein und Binden über die Kranken hielten und die Seuchen von ihnen wichen und die bösen Geister von ihnen ausfuhren,"

Das war eine Zeit der Hochgefühle für den Paulus. Gut könnte ich mir denken, daß Paulus in diesen Jahren der Überzeugung war, das müsse so weitergehen, ja immer noch umfangreicher und gewaltiger werden, schließlich werde der Herr auch noch seine Verheißung erfüllen und bald wiederkommen in Kraft und Herrlichkeit. Versuchen wir uns doch einmal in diese Phase seiner Entwicklung hineinzustellen. Wenn jetzt ein Bruder zu ihm gekommen wäre und hätte ihm gesagt: "Bruder Paulus, so kann das nicht weitergehen, wie du es dir vorstellst! Der Herr kommt erst nach tausend Jahren. Krank wirst du auch noch werden; und deine Krankheit sollst du nicht wegbeten, sondern dich deiner Leiden zu freuen lernen. Die Menge der Leute, die jetzt in deine Versammlungen kommen, werden dich alle verlassen." Paulus hätte zu diesem Zeitpunkt solch eine Predigt nicht verstehen und annehmen können. Um solch eine "Harte" Rede oder feste Speise verstehen zu lernen, mußte sein Meister in besonderer Weise wieder in sein Leben eingreifen und ihn einen Weg führen, den er als Kind überhaupt nicht wollte Dieses Wegstück begann dann für ihn mit der Lektion vom "Pfahl im Fleisch"!

Wie bedeutend, ja fast umwerfend wichtig diese Erfahrung im Leben des Paulus wurde, können wir daran erkennen, daß nach diesem Erlebnis Paulus scheinbar ein ganz anderes Evangelium verkündigte. Die Gemeinde, welche ihm bislang als dem vollmächtigen Zeugen nachgelaufen war, verstand ihn auf einmal nicht mehr. Die Zahl seiner Zuhörer wurde immer kleiner. Paulus legte keinen Nachdruck mehr auf die Gaben. "Zeichen und Wunder sind nicht das Wesentliche", predigte er. Und um das zu unterstreichen, verzichtete er schließlich ganz auf die Anfangspraktiken des christlichen Evangeliums (Heb 6, 1).

Jeder lebendig gemachte Jünger Jesu liest ja seine Bibel oder ist regelmäßig unter der Wortbetrachtung und hat deshalb von diesem "Pfahl im Fleisch" schon gehört. Welche Wertstellung dieses Leiden aber im Leben und Wirken des Apostels erlangte, kann meiner Meinung nach nur der verstehen und ermessen, welcher ebenfalls durch solch eine Erfahrung gegangen ist. Natürlich wird solch eine Führung Gottes individuell verschiedenartig erlebt werden. Aber Zweck und Ziel solch göttlicher Erziehung ist doch immer die gleiche, nämlich, daß der Betreffende dadurch wächst und reifer wird, mit den Worten unseres Textes ausgedrückt, daß er fähig wird, aus den Kinderschuhen hinauszuwachsen.

Vielleicht darf ich euch mit einem Zeugnis zeigen wie ich diese Entwicklungsstufe erlebt habe. Die meisten von euch kennen mich noch aus der Zeit, da Gott auch durch meine Hände Zeichen und Wunder tat. Auch an meinem eigenen Leibe durfte ich öfters die Kraft Gottes erleben.

Es war auf einer Geschäftsreise mit dem Auto. Urplötzlich bekam ich einen sogenannten Hexenschuß in den Rücken. Zum Glück kam bald eine Parkmöglichkeit. Hier lag ich nun hinter dem Steuerrad, unfähig mich zu bewegen. Ich betete, tat das und jenes; es wurde immer schlimmer. Dann endlich tat ich das, was ich andere oft gelehrt hatte: ich legte mir selbst nach Jak 5 die Hand auf - und war im Augenblick geheilt. - Jetzt konnte ich wieder raus aus dem Auto und testen, ob auch wirklich alles wieder in Ordnung ist. Unter lautem Lobpreisen und Danken konnte ich meine Fahrt fortsetzen. Ja das ist eine schöne Sache! Wer wollte das nicht auch erleben? Solch ein Erlebnis vergißt man natürlich nicht. Aber das jetzt folgende vergesse ich noch weniger:

Es war einige Jahre später. Während der Arbeit in meinem Geschäft hebe ich ein Stück Strickstoff von der Maschine weg auf die Waage. Dabei fährt mir wieder der Hexenschuß in den Rücken. Ein Mitarbeiter schleppt mich in die Wohnung auf die Liege. Ich bin guten Mutes, habe ich doch einen Heiland, von dem ich weiß, daß er mit solch einem Pfahl im Fleisch leicht fertig wird. Ich preise seinen Namen und lege mir wieder im Glauben die Hand auf.- Aber nichts geschieht.

Ein stundenlanger Gebets- und Glaubenskampf folgte.

Immer wieder versuchte ich auch im Glauben auf die Beine zu stehen und einige Schritte zu machen, um dann aber wieder unter Schmerzen zusammenzubrechen Auf mein Gebet: "Herr, warum willst du mich nicht wie damals heilen?" werden mir die Worte des Paulus in 2.Kor 12 so lebendig im Herzen:

"Dafür ich dreimal um Heilung gebeten habe und bekam die Antwort: Laß dir an meiner Gnade genügen".

Acht Tage lag ich im Bett. Sie wurden mir nicht lange. Der Geist Gottes hat mir in dieser Zeit die Antwort auf mein "Warum heilst du mich nicht?" noch gründlich ausgelegt. Die Wirkung der Kraft Gottes durfte ich jetzt in meiner Schwachheit, in einer bis dato ungeahnten Weise erleben. Als ich dann wieder aufstehen konnte, war mein Herz wieder voll Lobens und Dankens! Auch meine Verkündigung hat sich nach diesem Erlebnis wesentlich verändert. Nur noch wenige Geschwister konnten meine neue Botschaft verstehen, sodaß es zu Trennungen kam. Jedoch fand ich fast keine Zeit um darüber traurig zu sein. Erst später wurde mir bewußt, daß Paulus mit der damaligen Urgemeinde ganz ähnliches erlebt hatte. Wenn eine Tür für ihn zu ging, dann hatte sein Herr schon Vorsorge getroffen, daß woanders zwei Türen dafür aufgeschlossen wurden. Die Trennung zwischen Petrus und Paulus vor bald 2000 Jahren war ja keine Trennung der Herzen, sondern nur eine Teilung der Arbeitsbezirke.

Was damals mancher als einen Sieg Satans empfunden hat, war in Wirklichkeit ein mächtiger Impuls zur Ausbreitung und zum Wachstum des Reiches Gottes. Wir wissen ja, das Reich der Himmel soll nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ zunehmen. Also zum ersten bis die Vollzahl erreicht ist, zum zweiten, bis wir seine Gesinnung in uns haben und seinem Wesen gleich sind, anders ausgedrückt: "Wir sollen wachsen in allen Stücken an dem, der das Haupt ist!" Für so ein gesundes Wachstum ist Voraussetzung, daß wir auch die rechte Nahrung zu uns nehmen. Heb 5 am Schluß und Kapitel 6 am Anfang gibt uns dazu die rechte Unterweisung. Ich lese:

"Und die ihr solltet längst Meister sein, bedürft noch, daß man euch die ersten Buchstaben des göttl. Wortes lehre und daß man euch Milch gebe und nicht starke Speise. Denn wem man noch Milch geben muß, der ist unerfahren in dem Wort der Gerechtigkeit, denn er ist ein junges Kind. Den Fortge-schrittenen aber gehört feste Speise die durch Gewohnheit haben geübte Sinne, zu unterscheiden Gutes und Böses. Darum wollen wir die Lehre vom Anfang christlichen Lebens jetzt lassen und zur Vollkommenheit fahren, nicht abermals Grund legen von Buße der toten Werke, vom Glauben an Gott, von der Taufe, von der Lehre vom Handauflegen, von der Totenauferstehung und vom ewigen Gericht."

Was verstehen wir unter starker oder fester Speise? Gründlich kann ich jetzt diese Frage nicht beantworten. Nur mit einem praktischen Erlebnis die Antwort andeuten.

Es war so um das Jahr 1972, Euer Saal hier war damals noch voll besetzt. Auch junge Geschwister waren unter uns. Ich sprach damals zu euch über das Thema: "Will mir jemand nachfolgen, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach". Ich versuchte euch den Sinn des Leidens von verschiedenen Schriftworten her zu erklären. Da unterbrach mich ein jüngerer Bruder mit dem Zwischenruf:

"Bruder Christof, dieses Wort wollen wir nicht hören! Jesus hat doch unser Kreuz getragen, und das glauben wir!"

Vielleicht kann sich noch jemand an diese Versammlung erinnern. Seht Geschwister, dieser Bruder hat damals das Wort vom Kreuztragen noch nicht verstanden. Das war für ihn noch zu starke Speise. -

Ein Wachsen vom Kind zum Manne oder vom Lehrling zum Meister erfordert von uns, daß wir uns bemühen, auch solche Bibelworte zu verstehen, über die wir bislang beim Bibellesen einen Schritt gemacht haben. Das heißt, wir haben solche Worte in ihrer Glaubwürdigkeit zwar nicht angezweifelt, sie aber auch nicht wichtig genommen. Oft hörte ich schon von Geschwistern: "Ach, ich verstehe halt so wenig von dem Wort, wenn ich alleine meine Bibel lese!" Hat jemand von euch an diesem Punkt auch Not, dann mache doch bitte aus dieser Not ein Gebetsanliegen: Handle doch so, wie Daniel in Dan 10, 12 tat!

Wir haben doch denselben himmlischen Vater wie Daniel.

Beachte aber bitte, daß Daniel 21 Tage auf die Erfüllung seiner Bitte warten mußte. Diese Wartezeit können wir auch zerlegen in 3 mal 1 Tage, dann wird der Sinn leicht erkennbar und bedeutet im Klartext: Du mußt in Geduld auf die Antwort so lange warten, bis der göttliche Zeitpunkt da ist. Denn dann erst kannst du diese Antwort auch verstehen.

Jede Predigt, jeder Brief im NT klingt aus mit eindringlichen Ermahnungen und Aufforderungen an die Gemeinden, doch zu wachsen und zuzunehmen am innwendigen Menschen, und zwar nicht nur in der Theorie oder Erkenntnis, sondern auch in der Tat, also in der Praxis. Wie oft wurden wir schon darauf hingewiesen, daß sich unser Glaube und unser Gottvertrauen im Alltag auswirken müsse. Stellen wir uns doch einmal wieder in das Licht Gottes und tun nach 2.Kor 13,5! Dort steht:

"Versuchet euch selbst, ob ihr im Glauben seid, prüfet euch selbst!"

Ist unser Vertrauen in die Führung unseres guten Hirten so gefestigt, daß wir alles Ergehen dankbar aus seiner Hand nehmen können? - Wir glauben doch alle, daß uns nichts kann geschehen als was ER hat ersehen. Als Paulus im gereiften Alter war, konnte er sprechen:

"Ich habe Lust abzuscheiden, um bei Christo zu sein!"

Wir saßen kürzlich im Geschwisterkreis zusammen. Die Diskrepanz zwischen Wort und Tat war gerade Gesprächsthema. Jemand meinte, daß er schon oft von betagten Christen den vorher erwähnten Ausspruch von Paulus gehört hätte; und wenn dann eine Situation eintrat, durch welche sich dieser Wunsch hätte erfüllen können, tat man alles mögliche, um ja das Leben auf dieser Erde noch etwas zu verlängern. Aus der Unterhaltung mußte man den Eindruck gewinnen, als ob für uns Christen heute diese Einstellung des Paulus in der Praxis nicht erreichbar wäre. Ich wollte diese negative Beurteilung so nicht stehen lassen und erzählte einige positive Erlebnisse, auch von meinem Freund Helmut Kübler, der nach seinem zweiten Herzinfarkt in das Ebinger Krankenhaus eingeliefert wurde. Bald ist dort den Ärzten offenbar geworden, daß sich dieser Patient von anderen, in der gleichen Situation, unterscheidet. Auf die Lebensgefährlichkeit seiner Krankheit hingewiesen, reagierte er nicht niedergeschlagen, sondern gab ein freudiges Zeugnis seiner Heilsgewißheit und seiner Hoffnung auf ein ewiges Leben ab. Das hinterließ einen tiefen Eindruck bei den Ärzten und sie erkundigten sich näher nach seinem Glauben. - Noch ein letztes Erlebnis; und damit will ich dann schließen:

Ich kenne einen Menschen, der Herzanfälle hatte. Bei dem ersten lag er ungefähr fünfzehn Minuten wie tot. Als ein Freund dessen Pulsschlag vergeblich ertasten wollte und dann seine Augenlider bewegte, da versuchte dieser Halbtote mit seinem ganzen Willen, doch irgend ein Glied oder die Augäpfel zu bewegen. Es war ihm nicht möglich. Man hielt ihn für tot und bei den Angehörigen flossen die Tränen. Dieser Kranke war ein Gotteskind und wußte sich in jeder Phase seiner Herzattacke in der Hand seines Heilandes. Sein Gottvertrauen befähigte ihn, nach jedem Anfall nur einen Tag auszuruhen um dann wieder seiner gewohnten Arbeit nachzugehen, ohne in der Folgezeit einen Arzt aufzusuchen.- In unserer Gesprächsrunde herrschte darauf eine Stille. Dann fragte jemand:

"Lebt dieser Mensch heute noch?" "Ja", antwortete ich. "Und wann ist das geschehen?" - "Vor fünfzehn Jahren." - "Kannst du sagen, wer der Mensch war, wie er hieß?" - "Ja, ich bin es; und meine Frau hier kann es bezeugen!" Liebe Geschwister, ich halte gar nicht viel von Heilungszeugnissen in manchen christlichen Blättern, wenn nicht die volle Anschrift des Geheilten angegeben ist. Dies muß ich leider auf Grund meiner 40-jährigen Erfahrung auf diesem Gebiet sagen. Auch möchte ich mein persönliches Verhalten in dieser Lage niemand zur Nachahmung empfehlen. So etwas läßt sich nicht nachmachen; und einer, der solches erlebt hat, macht damit auch keine Propaganda, auch nicht mit der Beschönigung: "Das sage ich nur zur Ehre des Herrn."

Den Schwerpunkt unserer Bibelstunde will ich zum Schluß noch einmal unterstreichen:

"Wachset, nehmet zu in allen Stücken an dem innwendigen Menschen!"

Wenn dazu das Wollen in deinem Herzen vorhanden ist, dann nur keine Angst vor den Prüfungsaufgaben! Dein Heiland wird sie dir ganz persönlich, deinem Vermögen entsprechend zuteilen. Er versucht niemand über sein Vermögen.

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Amen!

Nachwort

Die Vielfalt der Erkenntnisse und Gruppierungen haben also, wenn wir von dem Prinzip der Entwicklung ausgehen, alle ihren Stellenwert und Platz im Reiche Gottes. So spricht auch Jesus:

"In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen".

Bedenken wir aber:

"In einem großen Hause gibt es Gefäße zu Ehren und etliche zu Unehren" (2.Tim 2, 20).

Wenn am Richtstuhl Christi offenbar werden sollte, daß du im Kindesalter stecken geblieben bist, dann wirst du dich und deine Gruppierung nicht bei den Herrlichkeitsgefäßen wiederfinden.

Diese Schlußfolgerung läßt sich auch auf den Organismus "Leib Christi" anwenden. Hat doch dieser auch: "Viele Glieder." Jedes Glied wiederum: "Viele Zellen."

Christof Konzelmann

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