Glauben und Gefühle

Du kannst alles zeigen was du hast, nur keine Gefühle. Das war auch früher meine Meinung und ist die Meinung vieler Menschen.

Der Mensch wird aber in allen Lebensbereichen viel stärker von seinen Gefühlen als von seinem Verstand beeinflußt. Unkontrollierte Gefühle wie Zuneigung, fröhliche oder traurige Stimmungen, heftige Affekte bis hin zu Wut und Aggressionen bestimmen unsere Handlungen viel stärker als theoretische Überlegungen. Niemand hat uns gelehrt wie man mit Gefühlen umgeht, und der Versuch, die eigenen Aggressionen zu kontrollieren, scheitert bei den meisten.

Was sind eigentlich Aggressionen?

Zunächst einmal sind Aggressionen wertneutral und nichts Negatives. Aggression kommt vom lateinischen Wort agredi und bedeutet so viel wie eine "zielgerichtete Aktivität".

Das Nichtwahrhabenwollen eigener aggressiver Tendenzen, d.h. das Verdrängen ins Unbewußte ist keine Lösung. In der Psychologie spricht man hier von Projektion, d.h. die eigenen verdrängten, daher unbewußten, nicht gelebten Seiten werden projiziert auf ein Gegenüber, das diese Seite lebt. Sie werden im Gegenüber erkannt, gesehen, aber nicht als eigene Anteile, als eigene ungelebte Schattenteile begriffen.

Alle uneingestandenen Fehler (hier fehlt etwas!) werden übergroß und zum Teil sehr emotional überlagert im anderen gesehen oder wahrgenommen und bekämpft.

Jesus wußte um diesen Sachverhalt im Menschen.

In Mt 7, 3 ff sagte er:

"Was siehst du aber den Splitter im Auge deines Bruders und den Balken im eigenen Auge siehst du nicht."

Wir sind so geschaffen, daß uns nur etwa 1/8 bewußt ist, 7/8 ruhen oder arbeiten in unserem Unbewußten.

Auch davon weiß die Schrift:

Röm 2, 16 "...an dem Tag, da Gott das Verborgene der Menschen richten wird durch Jesus Christus".

1 Kor 4, 5 "...welcher wird auch ans Licht bringen, was im Finstern verborgen ist, und den Rat der Herzen offenbaren"

Paulus erkannte diese Macht des Unbewußten und beschreibt sie in Röm 7, 19:

"Das Gute, das ich tun will, das tue ich nicht, sondern das Böse (den Schatten), das ich nicht will, das tue ich" (d.h. den erzeuge ich!)

Das was uns unbewußt bleibt hat Macht über uns, "macht" etwas mit uns. Und wir sind unter diese "Macht", - die Bibel nennt sie Sünde (besser Sündenmacht) - verkauft. (Röm 7, 14)

Wie geht die Bibel nun mit solchen Gefühlen um?

Zuerst gilt es zu begreifen: Gefühle gehören zum Menschen, positive wie negative. Das ist normal.

Das greift auch Paulus auf, wenn er in Eph 4, 26 sagt:

"laßt die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen."

Hier erklärt Paulus das Gefühl des Zorns, der Aggression nicht für Sünde. Er verbietet das Gefühl auch nicht, sondern er weist darauf hin, daß der Mensch dafür verantwortlich ist, was er mit seinem Zorn, seiner Wut macht.

Von Jesus selbst wird an einigen Stellen geschrieben:

"Und er ergrimmte im Geist..." (Joh 11, 33)

Negative Gefühle selbst sind also keine Sünde, aber sie weisen manchmal auf Sünde hin. Verdrängen solcher Gefühle hilft nicht weiter. Gefühle, die nicht zugelassen und bearbeitet werden, stauen sich auf und äußern sich in Gereiztheit, Verspannungen aller Art bis hin zu Depressionen.

In Psalm 32 wird von einem solchen Menschen berichtet, der seine negativen Gefühle verdrängt hatte:

"Solange ich schwieg, waren meine Glieder matt, den ganzen Tag mußte ich stöhnen, meine Lebenskraft verdorrte."

Hier handelt es sich um David, der die Schuld eines Ehebruchs und Mordes beiseite schob und die unangenehmen, anklagenden Gefühle verdrängte. Dadurch verseuchte er seine Seele und das machte auch seinen Körper krank.

Die Folge war: allgemeine Niedergeschlagenheit

deprimierende Gefühle

Freudlosigkeit des Herzens

Das Gegenstück zum Verdrängen wäre das laute Herausschreien. Beides, Herausschreien und Verdrängen, sind Fehlformen im Umgang mit unseren negativen Gefühlen.

Entscheidende Hilfe zum richtigen Umgang mit unseren Gefühlen liegt in der Erkenntnis, daß Gott unser Gefühlsleben mit uns teilen will, und das in allen seinen Bereichen, den positiven wie den negativen. Gott weiß, wie heilsam es ist, wenn wir unser Herz vor ihm ausschütten.

Im Psalm 38 betet so ein niedergeschlagener Mensch:

"Deine Pfeile haben mich getroffen. Nichts blieb gesund an meinem Leibe. Ich bin gekrümmt und tief gebeugt, den ganzen Tag geh ich traurig einher. Doch auf dich, Herr, vertrau ich, du wirst mich erhören." (Ps 38, 3-9)

Auch mit negativen Gefühlen, die nicht mit Schuld zusammenhängen, stelle ich mich vor Gott und überlasse mich seinem positiven Einfluß. Ich sage Gott einfach, was für ein Mensch ich in diesem Augenblick bin: ich lasse sozusagen das rostige Wasser ab und erfahre, daß klares Wasser nachfließt. David erkennt seine Wut, seinen Zorn, seine Trauer, er spricht sie aus, aber er vollzieht den Zorn nicht selbst. Von ihm stammt auch der bewährte Rat aus Psalm 4, 5:

"Seid zornerregt, aber versündigt euch nicht" (d.h. überdenk es in der Stille und geh damit zu Gott)

Wo sprechen wir aber heute noch über unsere Kränkungen, Ängste und unsere Wut, unsere Gefühle?

Laß nicht zu, daß deine negativen Gefühle über deinen Glauben (siegen) entscheiden wollen.

Im ganzen N.T. wird nirgends gesagt, daß der Glaube auf Gefühlen beruht. Gefühle, wenn sie positiv sind, können den Glauben zwar unterstützen, aber sie begründen ihn nicht. Ebensowenig können Gefühle den Glauben auflösen, seien sie noch so negativ.

Oft sind uns aber die Gefühle näher und mächtiger als der Glaube.

Mit solchen Gefühlen können wir aber nicht fertig werden, wenn wir auf sie fixiert bleiben. Der Glaube ist an Christus festgemacht und nicht an meinem jeweiligen Gefühl, nicht an meiner frommen Leistung, nicht an meinem Versagen und auch nicht an meiner Gesundheit.

Liebevoller als Christus mit meinem Versagen und meinen negativen Gefühlen umgeht, indem er mir in jeder Situation den Impuls des Neuanfangs ins Herz gibt, kann ich mit mir selbst nicht umgehen, geschweige denn mit anderen.

Wenn ich so Christus-orientiert lebe, wachse ich allmählich aus den Kinderschuhen der ständigen Gefühlsschwankungen heraus. Ich stelle dann zunehmend fest, daß dieser Grund hält und mich widerstandsfähiger macht gegenüber äußeren und inneren Schwankungen. Dies aber heißt:

Christus kann mit mir nun mehr anfangen

Mein Leben wird von ihm her bedeutungsvoller für andere.

In Hesekiel 36, 26 verheißt Gott:

"Ich will das steinerne Herz aus eurem Fleische wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben."

Das fleischerne Herz ist weich und lebendig. Es hat Platz für Gefühle, die durch Gottes Geist in rechte Bahnen gelenkt werden.

Norbert Burger

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