Vom Zweifeln zum Glauben
Besonders in unseren Tagen scheint es, als habe man vergessen, daß es keine anderen Weg gibt, persönlich überzeugt zu werden, als diesen Weg des Sünders durch die Verzweiflung über sich selbst. Die erste Zeit nach der Bekehrung ist in der Regel nicht leicht. Man hat keine Erfahrung, auf die man sich stützen könnte, und die Gedanken und Erwartungen, die man im voraus darüber gehabt hat, treffen selten zu. Oft ist man seinen Gefühlen hilflos preisgegeben. Rückfälle bringen einen der Verzweiflung nahe.
In solchen Fällen ist man versucht zu glauben, daß das Ganze nur Einbildung war, eine Illusion, die bei der ersten Berührung mit der harten Wirklichkeit des Lebens zerbricht.
Eine Schwierigkeit ist die, daß einzelne Menschen große Freude erleben, und das sogar im selben Augenblick, als sie sich Gott übergaben. Andere dagegen erlebten keine Freude und keinen Frieden in der ersten Zeit. Im Gegenteil: es wird für sie eine besonders schwere und unruhige Zeit. Es ist, als seien alle bösen Mächte von dem Tag an, da sie wählten und sich Gott übergaben, auf sie losgelassen. Zum einen ist das Gewissen jetzt weich und empfindlich, daß man beinahe nichts sagen oder tun kann, ohne sich hinterher die schwersten Vorwürfe zu machen. Und diesen Gewissensvorwürfen kann eine solche Angst folgen, daß man fast nicht weiß, wo man mit sich hin soll. Man empfindet das so, als würde man die Sünden mit Wissen und Willen tun. Man gibt darum leicht die Hoffnung auf und glaubt, man sei schlechter als alle anderen und in einen Zustand geraten, wo keine Erlösung mehr möglich ist.
Andere erleben gerade nach ihrer Bekehrung, daß alte Vorlieben sie verlocken wie niemals zuvor. Nicht nur alte Gewohnheiten werden schlimmer als vorher, sondern auch neue und unbekannte Lüste melden sich mit betörender Verlockung. Nun fragt man sich selbst in der Ratlosigkeit und Verzweiflung: Was ist denn mit mir geschehen? Ich glaubte, daß ich mich zu Gott bekehrt hätte! Und ich tat es, um aus meinem alten Dilemma herauszukommen, und nun ist es schlimmer mit mir als vorher.
Ebenso erleben viele, die nach ihrer Bekehrung voller Freude waren, daß ihre Freude wieder verschwindet und sie wieder eine unbehagliche Leere in der Seele empfinden. Aber die Freude kommt nach einiger Zeit wieder und dann ist die Sorge für diesmal überwunden. Dieser Wechsel zwischen Sonne und Schatten findet in der ersten Zeit häufig statt.
;Wir trösten andere mit dem Trost, mit dem wir selbst getröstet werden", sagt der Apostel Paulus. Deshalb will ich daran erinnern, was Bekehrung eigentlich ist.
Bekehrung (griech. metanoia) = Sinnesänderung, Kehrtwendung
Bekehrt sein besagt zunächst nicht, sündenfrei zu sein, oder geheilt, oder sich zufrieden und wohl zu fühlen. Sei darum nicht verwirrt oder verzweifelt, wenn du merkst, daß alte Gewohnheiten und Süchte bei dir noch in Tätigkeit sind. Laß dich auch nicht erschrecken, wenn du erlebst, daß es dir schlimmer ergeht als vorher. Mit dieser Feststellung stehst du nicht allein.
Paulus hat es so erlebt: "Als das Gebot kam, wurde die Sünde (alte Natur) wieder lebendig (Röm 7, 9).
Die Bekehrung besteht nicht darin, alte Gewohnheitssünden loszuwerden, sondern darin, eine neue Stellung zur Sünde (alte Natur = Gesinnung) zu erhalten.
Während ich vorher meinem Gewissen trotzte, oder meinem Gewissen dadurch zu entschlüpfen versuchte, daß ich meine Sünden entschuldigte oder einfach beschönigte, will ich nun die Wahrheit über mich selbst und über meine Alte Natur erfahren.
Ich bitte Gott um Erkenntnis der Wahrheit.
Und sooft ich fühle, daß etwas in meinem Leben Gottes Willen entgegensteht, wende ich mich an meinen Erlöser und sage es ihm.
Ich halte mich an das klare Wort der Schrift:
"So wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Untugend", (1 Joh 1, 9).
Laß dich auch nicht verwirren, wenn du von Angst überfallen wirst. Das siehst du leicht als Zeichen an, daß Gott nichts mit dir zu tun haben will. Aber hier darfst du dich nicht von deinen Gefühlen leiten lassen. Denen kannst du in dieser Sache nicht vertrauen. Suche in Gottes Wort wie er gegen dich gesinnt ist, da findest du klare Worte:
"Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen." (Joh 6, 37)
Aber warum ist mir so angst, sagst du, wenn Gott mich liebt? Selbst die Angst ist ein Beweis dafür, daß Gott dich liebt. Denn auch sie ist eine Wirkung des Trösters, des Geistes Gottes. Aber sie bewirkt keine Angst vor Gott in dir. Es kommt ihm darauf an, dir Angst vor der Sünde (=deine alte Natur) zu machen.
"Und der Tröster wird euch der Sünde überführen".
Die Angst ist also kein Beweis dafür, daß mit deiner Bekehrung etwas nicht richtig ist, sondern im Gegenteil ein sicherer Beweis, daß du den richtigen Geist der Bekehrung hast, der dich davor fürchten läßt, gegen Gott zu handeln.
Auch hierüber gibt es ein aufschlußreiches Wort von Paulus:
"Schafft, daß ihr selig werdet mit Furcht und Zittern."
Die Furcht, die du kennengelernt hast, ist also nichts unnatürliches. Sie ist ein Glied in der Erlösung, die du erlebst, und sie hat eine doppelte Aufgabe. Auf der einen Seite soll sie dir von der alten Gesinnung weghelfen, auf der anderen Seite soll sie dich nun ganz in die Arme des Erlösers treiben.
Werde auch nicht verzagt, wenn du von deinen alten Gewohnheitssünden wieder überrumpelt wirst. Es ist hart für dein Selbstwertgefühl, eine solche Niederlage zu erleiden, und es ist noch schlimmer, wenn du daran denkst, daß du Gott enttäuschst und betrübst.
In solchen Augenblicken ist die Versuchung groß, das Ganze aufzugeben. Aber gehe getrost zu deinem neuen Freund! Er sagt selbst, daß er gekommen ist, "zu suchen und selig zu machen was verloren ist" (Luk 19, 10) oder "er ist gekommen, die Sünder zur Buße zu rufen, und nicht die Gerechten" (Mt 9, 13). Und noch aufmunternder sagt er: "Die Gerechten bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken."
Das Kennzeichen der Bekehrung besteht nicht darin, daß du Niederlagen ganz vermeiden kannst. Nach einer Niederlage zeigt sich, ob du bekehrt bist oder nicht. Wer ehrlich zu Gott geht mit seiner Niederlage, der ist und bleibt in der Bekehrung, in dem richtigen Verhältnis zu Gott.
Dein Leben in Gott besteht nicht in dem, was du fühlst oder was du denkst, dein Leben in Gott liegt tiefer als dein ganzes Gefühlsleben und Gedankenleben, es liegt in dem Glauben an das Werk Jesu Christi. Aber es ist so, daß das Gottesleben dann später auch auf dein Gefühls- und Gedankenleben einwirkt. Das Gottesleben bringt bestimmte Gefühle mit sich. Nicht nur angenehme, freudige Gefühle, nein, auch Gefühle von Sorge, Schmerz, Hilflosigkeit und Angst. Alles das sind auch Wirkungen des Trösters. Was er in dir jetzt wirkt, hat immer dasselbe Ziel, dich ganz in die Arme deines Erlösers zu treiben, so daß du ihm alles anvertraust, und um dir immer deutlicher vor Augen zu führen, von was und von wem du eigentlich erlöst bist.
Du hast es nicht leicht, aber was du jetzt erlebst, ist nicht der Bankrott deiner Bekehrung. Nein, die Führung des Trösters geht seinen guten und sicheren Weg in deiner Seele.
Es ist der Tröster, der seinen Dienst für dich tut und er hat es darauf abgesehen, dir die Wahrheit zu zeigen. Die volle, schreckliche Wahrheit über deine Sünden und deine Sünde (alte Natur).
Nun kannst du erst ersehen, wie wenig du geeignet wärest, mit dem lebendigen Gott zusammenzuleben. Jetzt erst fühlst du dich als ein hoffnungsloser und verlorener Sünder, der einen Erlöser nötig hat.
Aber hat denn Gott eine Möglichkeit mir zu helfen, mir, der ich eine solche Gesinnung (alte Natur) habe? Ja, denn es gibt keinen einzigen Menschen, der seine weltliche, egoistische, gottfeindliche Gesinnung selber verändern könnte, denn "der Mensch ist unter die Sünde verkauft" (Röm 7,14). An anderer Stelle drückt es die Schrift so aus: "..unter der Knechtschaft in des Teufels Strick, von ihm gefangen zu seinem Willen" (2.Tim 2, 26).
"Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen Geist (neue Gesinnung)", betete König David (Ps 51, 12) schon vor 3000 Jahren.
Nein, wir können uns nicht selber ändern, von uns erwartet Gott nur, daß wir zu ihm kommen so wie wir sind, ohne Heuchelei. In dem Augenblick erlangen wir von ihm die volle Vergebung um Jesu willen.
Ja, sagst du, aber ich müßte doch etwas erleben von der Vergebung, eine Veränderung in mir, aber davon merke ich nichts. Es ist nun schon einige Zeit her, seit ich mich Gott übergeben habe, aber meine Gesinnung ist noch die gleiche, und müßte ich nicht Freude empfinden, wenn ich bekehrt wäre? Es gibt doch so viele, die dieses Glück der Seele sofort nach ihrer Bekehrung empfinden? Ist das nicht ein Beweis dafür, daß meine Bekehrung auf falsche Wege geraten ist? In unseren Tagen ist es natürlich, daß diese Frage eine der schwierigsten Fragen für die ehrlich suchende Seele ist.
Aber hier liegt ein Mißverständnis vor. Eine glückliche Stimmung ist durchaus kein Beweis dafür, daß der Mensch erlöst ist. Man erkennt das am besten daran, wie schnell diese Stimmung in ihr Gegenteil umschlagen kann.
Ob ein Mensch nach seiner Bekehrung glückliche oder schmerzliche Gefühle erlebt, hat nichts mit der Ehrlichkeit und Redlichkeit seiner Bekehrung zu tun. Auch hier trifft das Wort zu:
"Es ist der Geist, der jeglichem seines zuteilt, nach dem er will" (1Kor 12, 11).
Aber soll denn der Christ keine Gewißheit haben, fragst du? Ich lebe ja beinahe ständig in Unruhe und Ungewißheit.
Ja, der Bekehrte soll Gewißheit haben.
Aber wir werden durch Glauben erlöst, nicht durch Gewißheit, Gewißheit ist nicht die Vorbedingung für Erlösung, sondern eine Folge der Erlösung.
"Denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen" (2Kor 5, 7).
Glauben heißt also, zu Christus zu kommen mit seiner Schuld und seinen Sünden und sie ihm ohne Vorbehalt bekennen. Von dem Augenblick an ist der Mensch erlöst, was er nun auch immer fühlt, denkt oder zweifelt.
Dein Glaube ist also noch ein sehnsüchtiger, seufzender, ja ein verzweifelt zweifelhafter Glaube. Genau wie bei dem Mann, der sich in einem Notschrei an Jesus wandte:
"ich glaube, Herr, hilf meinem Unglauben." (Mark 9, 24).
Dieser sehnsüchtige Glaube soll nun durch eine neue Erfahrung in einen frohen, friedvollen und überzeugten Glauben verwandelt werden.
Du sollst dich aber nicht selbst zwingen, diese Gewißheit zu erlangen. Nein, es ist der Tröster, der es tun soll. Er soll dir diese volle Erlösungswahrheit aufschließen.
"Derselbe Geist gibt Zeugnis unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind." (Röm 8, 16)
Du hingegen sollst weiter ehrlich und vertrauend mit Gott reden und Ihm einfach sagen, daß dir dieses geheimnisvolle Christuserlebnis fehlt, das dir Christus zu einer gegenwärtigen Wirklichkeit für die Seele macht und dir dadurch tiefe und andauernde Gewißheit über die Erlösung gibt. Erst dann besitzt du die Gewißheit, die tiefer ist als alle Logik, die man auch mit Worten nicht erklären kann. Das Wunder besteht darin, daß Gottes Geist, der Tröster, dir auf eine neue Weise die unsichtbare Welt öffnet, denn es ist das Werk des Geistes innerhalb der Erlösung, dich in alle Wahrheit zu führen (Joh 16, 13).
Wenn man auf diese Weise erlöst ist, erhält man Gewißheit von der Sündenvergebung und der Löschung der Schuld. Aber vergiß nicht, daß du sie bekommst, du kannst sie nicht herbeizwingen, der Tröster ist es, der die Gewißheit in dir schafft.
Halte dich an die Versprechungen der Schrift:
1. "Er, der das Gute in dir angefangen hat, wird es auch vollenden." (Phil 1, 6).
2. "Denn der Herr ist treu, der wird euch stärken und bewahren vor dem Argen." (2Tim 3, 3).
3. "Der Herr weiß die Gottseligen aus der Versuchung zu erlösen, die Ungerechten aber zu bewahren zum Tage des Gerichts." (2Petr 2, 9).