Zweimal geboren

 

Es gibt wohl keine andere Begebenheit in der Heiligen Schrift, die uns so klar Aufschluß gibt über die oft so sehr mißverstandene Frage der Wiedergeburt, wie die von Nikodemus.

Nikodemus war ein Oberster der Juden und Pharisäer, ein religiöser Mann, aber in seinem Herzen war es leer und kalt. Nikodemus war ein suchender Mensch: suchend nach Heilsgewißheit. Sein Verlangen nach innerer Befriedigung war so stark, daß er eines Nachts zu Jesus kam, um über sein so wichtiges Anliegen zu sprechen.

Jesus gab ihm die Antwort auf seine innere Not und Unruhe, indem er ihm sagte:

"Du mußt von neuem geboren werden."

Die innere und absolute Notwendigkeit der Wiedergeburt

Der Herr Jesus betont in seinem Gespräch mit Nikodemus die absolute Notwendigkeit der Wiedergeburt, indem er zu ihm sagt: "Du mußt von neuem geboren werden." Nicht du "magst" oder du "kannst", nein, vielmehr "du mußt" von neuem geboren werden. Es gibt keinen anderen Weg zur Neuschöpfung in Christo als allein durch die Wiedergeburt. Ich möchte, daß sich diese Tatsache in unseren Gedanken festsetzt, bevor wir weiterfahren, von der Wiedergeburt zu sprechen. Überlege einmal gründlich: sagt Jesus wirklich die Wahrheit, oder lügt Jesus? Wenn nicht, dann müssen wir zweifellos glauben, daß nur wiedergeborene Menschen im Himmel sein werden.

Was ist die Wiedergeburt?

1. Die Einpflanzung einer neuen Natur in den Menschen

Durch unsere erste, leibliche Geburt werden wir in das Reich des ersten Adam hineingeboren. Bevor wir in das Reich Gottes eintreten können, müssen wir eine neue Natur erhalten, die dieses göttliche Reich genießen und sich darin freuen kann.

In der Natur reden wir vom Tierreich und vom Pflanzenreich. Wenn wir eine Blume aus dem Pflanzenreich nehmen, sie kultivieren und durch alle möglichen Mittel zu ihren mannigfachen Entwicklungen bringen würden, könnte sie doch nie dem Tierreich angehören. "Man kann nur das hervorbringen, was man ist." Jesus macht diese Tatsache klar, wenn Er sagt: "Was vom Fleisch geboren ist, ist Fleisch." Das Fleisch kann gezüchtigt werden, es kann religiös werden, aber es ist immer noch Fleisch. Der Mensch bleibt im Reich des ersten Adam, es sei denn, er bekommt eine neue Natur. Die Schwierigkeit liegt nicht so sehr in dem, was um oder außerhalb des Menschen ist, sondern vielmehr an dem, was in ihm ist.

Nikodemus dachte, daß man in das Reich Gottes kommen könnte durch "Kenntnisse" oder durch "Wissen", welches er in seinen Worten zu Jesus zum Ausdruck brachte: "Wir wissen, daß du ein Lehrer von Gott gekommen bist." Nikodemus brauchte nicht in erster Linie einen Lehrer, um mehr über Jesus und das Reich Gottes zu wissen, sondern eine neue Natur, die er nur durch die Wiedergeburt erhalten konnte.

Die Menschen mögen alle Glaubensbekenntnisse ihrer Kirche und jede fundamentale Lehre der Bibel kennen, sie mögen alles über das Heil, die Rechtfertigung und die Heiligung gelernt haben,

theoretisch orthodox und doch nicht wiedergeboren sein. Dogmen und Lehrsätze haben das Christentum, aber noch nie einen Christen gemacht. Die entscheidende Frage lautet deshalb nicht: kennst du die christiche Lehre? oder gar: Weißt du, daß Christus der Erlöser der Menschheit ist? Dies liegt alles im Bereich des Wissens. Der Herr Jesus kam nicht, um einen alten sündigen Menschen zu lehren oder zu verbessern, sondern Er kam, um ihn neu zu machen. Gottes Ordnung ist diese: "Ich mache euch zu Söhnen, und dann wandelt als Söhne." Sehr oft dreht der Mensch diese Sache um und sagt sich: "Ich versuche als ein Sohn Gottes zu wandeln, damit ich dadurch die Gotteskindschaft empfange." Nein, wir müssen zuerst die Gotteskindschaft empfangen, ehe wir als Söhne Gottes wandeln können. Wir müssen zuerst herauskommen aus dem Reich der Finsternis, ehe wir im Reiche des Lichtes wandeln können.

Die göttliche Natur befähigt uns, im neuen Reich leben zu können. Es ist wichtig, hier kurz einzufügen, daß die wiedergeborenen Menschen noch in die Sünde fallen, aber sie doch die Sünde nicht mehr genießen können, da die Sünde ja nicht mehr ihr Element ist. Sie sind in Christo versetzt worden (1Joh 2, 1) Viele religiöse Leute leben immer noch im "Wissen" über Jesus, haben aber noch keine neue Natur erhalten, um in Jesus leben zu können. (Ob du verloren oder errettet bist, entscheidet sich darin, ob du in Christus oder in Adam bist.) Es ist für uns kaum verständlich, daß in der Hölle die Guten, Anständigen und Religiösen ... mit den Gottlosen, Trunkenbolden, Greulichen und Unreinen zusammen sein müssen, weil sie nie wiedergeboren wurden.

 

2. Die Neugeburt ist das Eindringen göttlichen Lebens in die menschliche Seele

Paulus sagt zu den Ephesern: "Und auch euch, da ihr tot waret durch Übertretungen und Sünden" (Eph 2, 1), und wiederum sagt er: "...da wir tot waren in den Sünden" (Eph 2, 5).

Wir sind durch die Sünde von Gott getrennt. Wir haben von Natur aus keine Verbindung mit Gott, und deshalb haben wir auch kein geistliches Leben. Wir sind "geistlich tot"! Wenn der Mensch in seinem geistlich toten Zustand stirbt, bleibt er... von Gott getrennt. Dies ist der Charakter der Hölle. Um einmal in der Ewigkeit bei den Herrn zu sein, brauchen wir geistliches oder göttliches Leben. Dieses geistliches Leben wird uns bei der Wiedergeburt geschenkt. Allein aus diesem Grunde gebraucht Jesus das Wort "Wiedergeburt", weil Geburt von "Leben" spricht. Genauso, wie wir das "physische Leben" erhalten durch eine Geburt, so bekommen wir das "geistliche Leben" durch eine Geburt, nämlich die "geistliche Geburt". Wenn du noch nicht wiedergeboren bist, dann bist du noch immer "geistlich tot" und somit verloren. Durch die Wiedergeburt erhält der Mensch geistliches Leben.

 

3. Die Wiedergeburt ist ein Geheimnis

Viele sagen: "Ich kann das nicht verstehen, wie ein Mensch eine neue Natur erhalten kann. Ich begreife das einfach nicht, wie jemand von Natur aus geistlich tot sein und durch die Wiedergeburt das Eindringen von göttlichem Leben erfahren kann." Die Wiedergeburt kann niemand verstehen oder ergründen. Obschon wir wissen, was durch die Wiedergeburt geschieht, wissen wir doch nicht, wie die Wiedergeburt geschieht. Jesus sagt zu Nikodemus: "Laß dich´s nicht wundern, daß ich dir gesagt habe: Ihr müsset von neuem geboren werden. Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl, aber du weißt nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist." Nikodemus antwortete: "Wie mag solches zugehen?" (Joh 3, 7-9). Er konnte die Wiedergeburt nicht ergründen. Der Herr Jesus sagt zu ihm, daß man die Wiedergeburt nicht erklären könne. Er vergleicht die Wiedergeburt mit dem Wind. Der Wind bläst, wo er will. Du kannst sein Sausen hören, aber du kannst nicht sagen, woher er kommt oder wohin er geht. Wir können dem Wind nicht folgen. Genauso ist es mit der Wiedergeburt, sagt Jesus. Nikodemus aber wollte die Wiedergeburt ergründen. Menschen, die behaupten, daß sie im Bereich des Geistlichen nichts annehmen können, was nicht zu erklären ist, vergessen, daß sie im täglichen Leben ohne weiteres viele Dinge annehmen, die auch nicht zu erklären sind.

Denken wir einmal an das Samenkorn. Kannst du erklären, wie es wächst?

kannst du erklären, wie die Blume blüht und die Bäume ihre Früchte bringen?

Selbst die Wissenschaft ist hier stehengeblieben; sie konnte das Geheimnis des Lebens noch nie erklären.

Verstehst du die Vorgänge einer schwierigen Operation? Du verstehst sie nicht und nimmst doch die Diagnose des Arztes an und rechnest mit seiner Hilfe.

So könnten wir noch viele unerklärliche Dinge aufzählen, die wir im täglichen Leben ganz selbst-verständlich annehmen.

Wieviel mehr sollten wir dann bereit sein, geistliche Geheimnisse anzunehmen, wenn Gott sagt: "So viel der Himmel höher ist denn die Erde, so sind auch meine Wege höher denn eure Wege und meine Gedanken höher denn eure Gedanken" (Jes 55, 9).

Die Wiedergeburt ist das größte aller Wunder. Es ist größer als das Wunder von der Stillung des Sturmes oder das Wunder von der Speisung der 5000. Das Wunder der Wiedergeburt zeigt eine größere Kraft als die Kraft über die Elemente. In der Wiedergeburt sehen wir die Kraft Gottes, die da selig macht, die Kraft, die ein Leben umgestalten und eine geistlich tote Seele lebendig machen kann. Die Wiedergeburt kann also nicht erklärt oder ergründet werden. Wenn wir einmal vor Gott stehen werden, wird er uns nicht fragen: "Kannst du die Wiedergeburt oder das Evangelium ergründen?" sondern: "Hast du es geglaubt und angenommen?"

 

 

Wie komme ich zur Wiedergeburt?

Jesus sagt zu Nikodemus:

"Wahrlich, wahrlich, ich sage es dir, es sei denn, daß jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen." Jesus macht es nun hier klar, daß wir aus "Wasser" und "Geist" geboren werden müssen.

1. Aus "Wasser" geboren

Was meint Jesus mit dem Ausdruck "Wasser"? Manche denken, daß das Wort "Wasser" sich auf die "christliche Taufe" beziehe. Sie lesen den Text so: "Es sei denn, daß jemand geboren werde durch die Taufe." Wir wissen aber, daß Jesus nicht auf die Taufe Bezug nimmt, denn die äußere Anwendung von Wasser kann den inneren Menschen nicht umgestalten. Wie die äußere Beschneidung des Fleisches beim Volk Gottes im AT die Herzen der Menschen nicht umgestalten konnte, so kann auch die äußere Anwendung von Wasser den inneren Menschen nicht umgestalten.

Paulus sagt:

"Auch ist das nicht eine Beschneidung, die am Fleisch geschieht, sondern eine Beschneidung des Herzens, die im Geist und nicht im Buchstaben geschieht" (Röm 2, 28.29).

Es gibt einige, die sagen, daß das Wasser hier als Gleichnis für das Wort Gottes steht. Es ist schon wahr, daß die Bibel das Wort "Wasser" als Gleichnis für das Wort Gottes gebraucht.

In Eph 5, 26 steht:

"Auf daß er sie heiligte, und hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort."

Im Lichte des Zusammenhangs in Joh 3 ist es aber sehr zweifelhaft, daß sich Jesus hier durch den Gebrauch des Wortes "Wasser" auf das Wort Gottes bezieht.

Es ist überhaupt sehr wichtig, daß wir das Wort im Lichte des Zusammenhangs lesen. Der Zusammenhang zeigt, daß sich das Wort "Wasser" hier in Joh 3 auf die Taufe des Johannes bezieht. Das Wort "Wasser" wird schon im ersten Kapitel des Johannesevangeliums gebraucht, und das ausdrücklich mit Bezug auf die Taufe des Johannes. Es heißt dort in Johannes 1, 31:

"Darum bin ich gekommen, zu taufen mit Wasser."

Die Taufe des Johannes war ausschließlich eine Taufe zur Buße.

Über die Taufe des Johannes lesen wir:

"Da ging zu ihm hinaus die Stadt Jerusalem und das ganze jüdische Land und alle Sünder an den Jordan und ließen sich taufen und bekannten ihre Sünden" (Mt 3, 5.6).

Johannes war ein Bußprediger. Er forderte die Sünder auf, ihre Sünden zu bekennen, sich von den Sünden abzuwenden und es öffentlich vor der Gemeinde zu bezeugen durch die Taufe zur Buße.

Um den Zusammenhang unseres Textes weiter zu erkennen, möchten wir fragen: Inwiefern hat die Taufe des Johannes zur Buße eine Bedeutung für unsere Geschichte von Nikodemus?

Darüber gibt uns Lukas 7, 29.30 Aufschluß:

"Und das Volk, das ihn hörte, und die Zöllner gaben Gott recht und ließen sich taufen mit der Taufe des Johannes. Aber die Pharisäer und Schriftgelehrten verachteten Gottes Rat wider sich selbst und ließen sich von ihm nicht taufen."

Die Pharisäer und Schriftgelehrten ließen sich nicht mit der Taufe des Johannes zur Buße taufen. Damit meinten sie, daß sie die Buße nicht nötig hätten. Waren sie nicht moralisch hochstehende Leute, waren sie nicht ehrlich, glaubten sie nicht an Gott, ja vielmehr, waren sie nicht die Schriftgelehrten? Ihrer Ansicht nach war die Buße nur nötig für grobe Sünder, aber nicht für feine, religiöse Leute, wie sie es waren.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, daß wir daran erinnert werden, daß Nikodemus auch ein Pharisäer war. Nikodemus hatte auch mit den anderen Pharisäern die Taufe zur Buße durch Johannes abgelehnt, und als der Herr Jesus zu Nikodemus sagte: "Es sei denn, daß jemand geboren werde aus Wasser", da verstand er ganz klar, was Jesus damit meinte, nämlich daß auch er die Buße nötig hätte. Auch er mußte sich auf dieselbe Stufe mit den Zöllnern stellen und die Taufe des Johannes zur Buße annehmen, wenn er eine Wiedergeburt erleben wollte.

Die Buße ist der erste Schritt zur Wiedergeburt. Buße bedeutet ja Umkehr von unseren eigenen Wegen. So wie die Zöllner, die offensichtlich als schlechte Menschen bekannt waren, sich von ihren groben Sünden abwenden mußten, so mußte sich auch Nikodemus von seinen toten Werken und seiner eigenen Gerechtigkeit abkehren, um eine Wiedergeburt zu erleben. Auch er hatte die Buße nötig.

Oft wird der Glaube ohne Buße gepredigt. Der Glaube ohne Buße ist tot. Unsere Predigt soll nicht zuerst heißen: "Glaube an den Herrn Jesus", sondern: "Tut Buße!" Johannes der Täufer wurde der Vorläufer Jesu genannt, weil er die Menschen zur Buße aufrief. Jesus, das Lamm Gottes, hatte keine Bedeutung für das Volk, bis es Buße von seinen Sünden getan hatte. Zu denen, die da Buße taten, konnte Johannes sagen:

"Siehe, dies ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt." Wenn man dem Sünder Vergebung der Sünden zuspricht, ehe er bereit ist, von seinen Sünden abzukehren, dann wirft man Perlen vor die Säue.

Gerade wenn wir von der Taufe des Johannes zur Buße reden, dann ist es wichtig zu merken, daß diese Taufe zur Buße eine öffentliche Sache war. Die Menschen, die von Johannes getauft wurden, sagten damit vor der ganzen Gemeinde: "Ich habe gesündigt." Das sagt nicht, daß sie ihre einzelnen Sünden vor der Gemeinde zu bekennen hatten, denn diese waren den betreffenden Personen zu bekennen (Mt 5, 23.24), aber doch mußten sie es vor der Gemeinde bezeugen, daß sie gesündigt hatten und daß sie jetzt von ihren Sünden umkehren und Jesu Nachfolger werden wollten. Das ist wahre Buße. Wem noch immer sein Ansehen vor den Menschen wichtiger ist als seine Schuld vor Gott, hat noch keine Buße getan. Fürchten wir uns nicht so oft davor, daß die Menschen um uns herum herausfinden könnten, wie schlecht wir sind? Ich glaube bestimmt, daß ein Sünder, der wirklich Buße tut, nur noch das eine sieht, nämlich seine Schuld vor Gott, und er sorgt sich sicher nicht darum, was die Leute um ihn herum davon denken.

Wir würden gut daran tun, wenn wir uns fragen würden: "Haben wir wirklich Buße getan für unsere Sünden?" Denn es gibt keine Vergebung ohne Buße. Die Buße ist der erste Schritt zur Wiedergeburt.

Ich habe schon oft darauf hingewiesen, daß der Glaube nach der Buße folgen muß, wenn wir die neue Geburt erhalten wollen.

 

Die Bibel macht es wieder ganz klar:

"Nun wir denn sind gerecht geworden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus, durch welchen wir auch den Zugang haben im Glauben zu dieser Gnade, darin wir stehen" (Röm 5, 1.2).

"Denn aus Gnaden seid ihr selig geworden durch den Glauben" (Eph 2, 8).

Glauben heißt nehmen. Wer in wahrer Buße umgekehrt und zu Jesus gekommen ist, darf im Glauben das nehmen, was der Herr Jesus allen Menschen anbietet, nämlich die Vergebung der Sünden, die Neuschöpfung des Menschen.

Leo Janz

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