Die zwei Naturen im Kinde Gottes

 

Der äußere und der innere Mensch

Sechs verschiedene Gesetzesarten

Wir hatten in den beiden letzten Fortsetzungen, ausgehend von 2 Stellen des Galater-Briefes, die Beziehungen des neuen, inwendigen Menschen zum Gesetz behandelt; und weil das ein sehr wichtiges Thema ist, sind wir dabei nicht fertig geworden. Nun will ich dieses Thema weiterführen auf Grund eines Textes aus Römer 7, 14-25.

Der neue, inwendige Mensch hat seine besondere Beziehung zum Gesetz wie auch seine besondere Beziehung zur Sünde. Diese Beziehung heißt, daß er nicht sündigen kann, weil er aus Gott gezeugt ist (1 Joh 3, 9). Der alte Mensch muß sündigen, der neue Mensch kann nicht sündigen. Daher kommt die Spannung!

Wenn man nun die Dinge, die mit der Sünde zusammenhängen, besser verstehen will, muß man zu den Dingen weitergehen, die mit dem Gesetz zusammenhängen, so wie es der Apostel Paulus im Römerbrief auch macht. Von Römer 5 bis 7 nennt er die uns bekannten 4 Befreiungen. Wenn wir gläubig geworden sind, dann werden wir 1. frei vom Zorn Gottes, 2. frei von der Sünde, 3. frei von Gesetz und 4. frei vom Tod. Diese 4 Befreiungen durchlebt der Gläubige nacheinander in seinem Glaubensleben, bis wir in den Triumphgesang des Geistes nach Römer 8 einmünden. Da aber nun das Gesetz die Kraft der Sünde ist, können wir die Dinge um die Sünde herum nicht recht verstehen, wenn wir uns nicht über das Gesetz Gedanken machen.

An sich gibt uns der Apostel Paulus im Römerbrief 6 Aufschlüsse über das Gesetz. Er teilt uns dabei sechs verschiedene Gesetzesarten mit, die meistens überlesen werden:

1. Das Gesetz Moses, das verurteilt - 2. Das Gesetz überhaupt als Prinzip 3. Das Gesetz des Glaubens, das die Selbsterlösung ausschließt - Diese 3 Gesetzesarten finden wir in Römer 3-4.

4. Das Gesetz der Sünde in den Gliedern, das siegreich ist über 5. Das Gesetz des Denksinns (Luther: Gesetz des Gemüts, Römer 7, 23), das einwilligt in das Gesetz Moses, es aber nicht tun kann wegen des Gesetzes der Sünde in den Gliedern, und 6. Das Gesetz des Geistes, das Macht hat, vom Gesetz der Sünde zu befreien und von seinem Gewissens-Urteil durch das Gesetz des Moses. Der Geist schafft dann allmählich im Gläubigen die Gerechtigkeit, die das Gesetz Moses gefordert. So haben wir einen wunderbaren Kreis, einen Zirkel. Es beginnt mit dem Gesetz des Moses und endet mit dem Gesetz des Geistes, und überall heißt das Hauptwort "Gesetz".

Gesetz ist Ordnung Gottes

Was ist denn eigentlich Gesetz? Statt Gesetz können wir auch immer Ordnung sagen, und Ordnung muß sein! Genau so muß auch Gesetz sein. Wenn wir hören, wir seien frei vom Gesetz, dann bedeutet das nicht - wie wir es das letzte Mal schon hörten -, daß wir das Gesetz, das ist die Forderung Gottes, nicht zu halten brauchen. Frei vom Gesetz heißt: wir selbst brauchen es nicht zu tun, weil wir es auch nicht tun können, sondern das tut der Erfüller des Gesetzes in uns, nämlich "Christus"! Der ist der Erfüller des Gesetzes und den geziemt es, "alle Gerechtigkeit zu erfüllen", die vom Gesetz gefordert wird. Dieser Christus ließ sich sogar von Johannes dem Täufer am Jordan mit Wasser taufen, sodaß Johannes den Herrn Jesus ganz verwundert fragte: du kommst zu mir zum Taufen? Ich hätte es nötig von dir getauft zu werden! Du bist doch das Lamm Gottes und hast die Taufe der Buße nicht nötig. Jesus aber antwortete: "laß es jetzt also geschehen, denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen!" (Mt 3, 15). Sogar die Wassertaufe, auch wenn ich sie nicht nötig hätte! Jesus hatte ja schon den Heiligen Geist. Aber er erfüllt das Gesetz bis zum letzten Tüttel und Jota und bis zum letzten Wassertropfen! Also einerseits haben wir das Gesetz zu halten bis zum letzten Tüttel - denn kein Jota und kein Tüttel vergeht - es muß alles erfüllt werden, und andererseits sind wir frei davon. Die Lösung dieser Spannung ist das Evangelium! Das ist ja gerade die frohe Botschaft über die Freiheit vom Gesetz in dem Sinne, daß wir frei sind vom Fluch des Gesetzes, daß es aber trotzdem gehalten wird, eben dadurch, daß der Erfüller des Gesetzes in uns wohnt und in uns wandelt und in uns das Gesetz erfüllt!

 

Für den neuen, inwendigen Menschen ist das Gesetz eine Lust

Damit sind wir nun wieder bei der Wahrheit von den zwei Faktoren und dem neuen, inwendigen Menschen in uns. Der bist ganz real! Das haben wir immer wieder gehört in den letzten Abhandlungen, und von dem sind wir immer wieder ausgegangen. Das muß man festhalten! Dieser neue, inwendige Mensch ist wirklich ein neuer Mensch! Der alte konnte das Gesetz nicht halten, das war sein Elend. Er probiert es war immer wieder, Paulus spricht davon gerade hier in Römer 7. Für den neuen Menschen aber ist das Gesetz eine Lust, das ist sein Element! Er kann es überhaupt nicht brechen oder sonst könnte er ja sündigen, denn das Brechen des Gesetzes ist Sünde. Er kann aber gar nicht sündigen, also kann er nichts anderes tun, als nur das Gesetz erfüllen. Und dieser Christus, der so erfüllt, ja, dessen Element das Erfüllen ist, der wohnt in uns durch den Glauben. Er ist der neue, inwendige Mensch in uns. Das müssen wir nur immer wieder festhalten! Es ist wichtig, daß wir die Gedankenverbindung zwischen uns und dem neuen, inwendigen Menschen festhalten! Gedenke an ihn in allen deinen Wegen, so wird er dich recht führen! (Sprüche 3, 6).

Die Sünde und mein ICH

In den letzten Fortsetzungen haben wir davon gesprochen, daß der Apostel Paulus 2 Sündenbegriffe bringt. Besonders im Römer-Brief spricht er davon. Das eine sind die Mehrzahl-Sünden, die Sünden. Das sind die Gesetzesübertretungen. Der zweite Begriff ist die Einzahl-Sünde. Die nennt Paulus die Sünde, und unter der versteht er unser Naturwesen, unser Ich-Wesen. Wenn wir nun von den Sünden loskommen wollen, müssen wir die Sünde oder das Natur-Ich-Wesen in uns aufgeben, und das müssen wir wohl an Hand unseres Textes noch näher erklären.

Der Apostel Paulus differenziert hier. Zunächst können wir beides zusammen sehen, die Sünde und mein Ich. Aber nun wollen wir einmal diese Stelle aus Römer 7 etwas anders lesen, indem wir statt ich immer mein Ich setzen: "denn wir wissen, daß das Gesetz geistlich ist, mein Ich aber ist fleischlich, unter die Sünde verkauft. Denn mein Ich weiß nicht, was mein Ich tut, (Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun). Denn mein Ich tut nicht, was mein Ich will, sondern mein Ich haßt, das tut mein Ich.Wenn mein Ich aber das tut, was mein Ich nicht will, so gibt mein Ich zu, daß das Gesetz gut sei. So tut nun nicht mein Ich es, sondern die Sünde, die in meinem Ich wohnt. Denn mein Ich weiß, daß in mir, das ist in einem Fleische, wohnt nichts Gutes. Wollen hat mein Ich wohl, aber vollbringen das Gute findet mein Ich nicht. Denn das Gute, das mein Ich will das tut mein Ich nicht, sondern das Böse, daß mein Ich nicht will, das tut mein Ich. Wenn mein Ich aber tut, was mein Ich nicht will, so tut nicht mein Ich es, sondern die Sünde, die in wir wohnt."

Wir haben wir eine ganz wunderbare, geistlich-logische Ableitung der Tatsache und Erkenntnis, daß das Ich gar nicht so schlecht ist. Mein Ich ist schon gewonnen für das Gute, das es schon will. Dann strengt es sich an, muß aber, wenn es ehrlich ist, zugeben, daß es das Gute nicht fertigbringt, sondern daß es im Gegenteil das Böse tut, das es auch gar nicht will.

Die Sünde ist verfilzt in das Ich

Nun folgert Paulus weiter: wenn das so ist, dann müssen wir da eine neue Größe einführen. Diese Größe heißt die Sünde. Deswegen kann mein Ich das Gute, daß es tun will, nicht tun, weil die Sünde in ihm wohnt und es beherrscht. Diese Sünde tut nun das Böse, und sie ist stärker als das Ich, das doch das Gute will. Wir sehen also, das Ich besteht aus dem Ich und der Sünde, diese beiden sind beieinander. Die Sünde ist sozusagen verfilzt in das Ich! Nun kommt weiter der Begriff "Gesetz ".

"so findet mein Ich wohl ein Gesetz, das mir, der ich will das Gute tun, das Böse anhangt".

Also das ist ein Gesetz. Wir können aber auch - wie wir hörten - statt Gesetz "Forderung" sagen. Also ist vom Gesetzgeber gesetzt oder geordnet, daß wir, der ich das Gute tun will, das Böse anhange. Wenn ich das Gute tun will, dann tue ich das Böse, weil die Sünde das nicht ausführt, was ich will, denn die Sünde führt das Böse aus. Es ist etwa so, wie wenn einer eine Rede hält in Deutsch. Er will, daß in Englisch übersetzt wird. Der Übersetzer aber überträgt in Französisch und nicht in Englisch. So ist es, wenn nun mein ich etwas Gutes tun will und die Sünde, die beim ich dabei ist, übersetzt das ins Böse. Was nützt da die beste Rede, die Engländer verstehen sie nicht, wenn sie in Französisch übersetzt wird! Das jetzt mein gutes Wollen, wenn es immer ins Böse übersetzt wird! Das tut aber nicht mein Ich, sondern das tut die Sünde, die in meinem Ich wohnt, gegen den Willen meines Ichs. So sagt es uns der Römerbrief.

Das bist ein Gesetz, eine Ordnung, und es gibt kein Gesetz ohne von Gott! Für Gott können wir genau so gut sagen "der Gesetzgeber" und der gibt die Gesetze, die Verordnungen. Er ist der Ordnung-Schaffer, der Platz-Anweiser in Weltall. Alle Gesetze stammen von ihm, nicht nur das Gesetz des Geistes des Lebens, auch das Gesetz der Sünde und des Todes (1.Moses 2, 17).

Daß die Sünde in wir wohnt, erkenne ich nur durchs Gesetz

In Römer 7, 7 sagt Paulus: " die Sünde erkannte ich nicht, außer durchs Gesetz ". Gott hat sozusagen die Sünde und mein Ich zusammen gespannt, weil ich ja gesündigt habe und seither die Sünde in mir wohnt. Das erkenne ich nun durchs Gesetz. Mein Ich ist also sozusagen zweigespalten. Es besteht aus gutem Wollen und aus bösem Tun. Das Böse tun wird die Sünde genannt, das Gute wollen nennt man Ich - der Teil des Ichs ist schon gewonnen. "wer wird mich nun erlösen?" Wovon? Von dem Leibe dieses Todes! Und was heißt das? Das ist die Sünde! Die Sünde ist gleich bedeutend mit "dem Leibe dieses Todes" oder "mit dem Leibe dieser Sünde".

Solange mein Ich in diesem Leib steckt, hat es eben immer die Sünde bei sich. Es will das Gute und tut das Böse. Was wäre denn da die Lösung? Die einzig richtige Lösung wäre, man müßte sich umbringen, man müßte sterben irgendwie, denn beim Sterben hört doch dieser Leib des Todes auf, und dann wäre das Ich endlich ohne die Sünde, dann kann es das Gute wollen und - ja, und doch nicht tun, weil es zum Tun einen Leib braucht, und den hat es doch im Tod verloren. Da müßte das Ich eben zum Gutes-tun einen neuen Leib haben, dann wäre es gut, dann hätte es nicht nur das gute Wollen, sondern auch das Vollbringen! Etwas vollbringen kann man ja nur durch den Leib. Der Leib tut, was mein Ich und die Seele im Leib befiehlt. Wenn das Ich sagt: ich muß den Betreffenden um Verzeihung bitten, und das tue ich jetzt, und der Leib gehorcht, dann geht er hin und streckt demjenigen die Hand entgegen, und mit dem Mund sagt er: "es tut mir leid". Wenn aber das Ich sagt: der wird um Verzeihung gebeten, und die Sünde, die mein äußerer Leib ist, sagt: "nein, das tue ich nicht, sondern ich denke jetzt zurück an das, was der wir alles getan hat, und dann kriege ich noch einen viel größeren Zorn auf ihn" - dann tut die Sünde das Böse, obwohl mein Ich das Gute will. Also die Lösung besteht nicht in Tod, vor allem nicht im vorzeitigen Tod. Wir dürfen uns nicht selbst umbringen zu unserer Erlösung, denn der Tod ist kein Erlöser, sondern der letzte Feind!

Wir wird mich erlösen von der Sünde?

Ja, was erlöst mich dann? Wer wird mich erlösen von der Sünde, die immer falsch übersetzt, von dem Leibe dieses Todes? In unserer Luther-Übersetzung gibt es auf diese Frage keine Antwort, aber in vielen griechischen Handschriften steht hier das Wort Gnade! Das Wort Gnade hätte man hier zumindest bei der Revisions-Übersetzung einsetzen sollen. Die Gnade vergibt mir doch immer wieder die Tatsache, daß das Böse getan ist! Es wird mir geschenkt durch die Vergebungs-Gnade. Die Wachstums-Gnade und die Vollendungs-Gnade bringen mich dann soweit, daß ich das Böse nicht mehr so oft tue, eben gerade dadurch, daß ich durch die Gnade den neuen, innwendigen Menschen bekomme. Dieser neue inwendige Mensch ist nicht mein Ich, sondern ein neuer Mensch mit einem Leib, mit einem Geistleib! Nun habe ich also einen Konkurrenz-Leib. Der äußere ist der alte Leib, der gleich bedeutend ist mit der Sünde, die in ihm steckt. Sie steckt so stark in diesem alten Leib drin, daß Gott sie nicht anders herausbringt, als durch chemischen Verwesungs-Prozeß. Deswegen muß der Leib ins Grab gelegt werden. Dann wirken die chemischen Prozesse der Verwesung. Die verwesen das Böse heraus, es kommt heraus als Verwesungs-Gestank. Aber dadurch, daß nun der neue, inwendige Mensch in mir ist, habe ich einen neuen Leib gleichzeitig in mir. Nun kann ich über 2 Leiber verfügen, über den Geistleib in mir, dessen Wachstum bei der Wiedergeburt anfing, und über den alten Leib, den ich nun kenne.

F.Braun

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